Cookie-Free: Google verkündet Welt ohne Cookies

Keine Frage: Ein Leben ohne Kekse ist sinnlos. Ein Leben ohne Cookies dagegen wäre für viele sicherlich die Initialzündung eines neuen „Trust“ in das Internet. Denn Cookies sind Spitzel. Sie folgen einem, analysieren jeden Schritt, werten aus, reporten. Mit diesen Daten lässt sich prima arbeiten, heißt: Personalisierte Online-Werbung ausspielen. Von der Idee her okay, vom Prinzip her fragwürdig. Jetzt hat Google die Cookie-freie Ära angekündigt.

 

Chrome-Browser bis 2022 „cookie-free“?

Bereits Anfang des Jahres ließ die weltweit größte Suchmaschine verlauten, dass ihr Chrome-Browser bis 2022 „cookie-free“ sein soll. Der Paukenschlag erfolgte dann im September auf der Dmexco: Aufgrund von DSGVO hätten sich die Gesetzesauflagen verhärtet und das macht den Werbetreibenden einfach keinen Spaß mehr, also sollen Cookies tatsächlich schon bald der Vergangenheit angehören. Der Schritt scheint logisch, nehmen die Anteile jener User – mich eingeschlossen – doch flutwellenartig zu, die Cookie-Blocker nutzen. Und das macht Werbung schwierig. Doch der schnöde Mammon muss fließen, schließlich will Google Geld verdienen und damit lautet die Frage: Was denken die sich als Nächstes aus?

Ich schaue zurück: Seit Anfang 2016 werde ich beim Öffnen von Websites immer häufiger durch einen Hinweis darauf aufmerksam gemacht, dass diese und jene Seite Cookies enthält. Will ich das Angebot nutzen, muss ich auf AKZEPTIEREN klicken oder die Meldung einfach weg-Xen. Ich kann bei einem aufpoppenden Cookie-Banner seit Neuestem zwischen „Erforderlich“, „Komfort“ oder „Statistik“ auswählen, aber ich weiß nicht, was das heißt und ich bin dafür auch zu faul. Das bedeutet allerdings – wenn ich nichts klicke  – dass der Betreiber nun freie Hand hat und juristisch für die Sammlung meiner Daten nicht belangt werden kann. Schließlich wurde man ja beim Betreten der Seite darauf aufmerksam gemacht und ich habe direkt – oder halt indirekt – den Bedingungen zugestimmt. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Man duldet das Sammeln von Daten, oder 2. Man verlässt fluchtartig die Seite.

 

Cookies und ihr typisches Geschmäckle

Das Grundproblem: Cookies haben Geschmäckle. Die Spione merken sich Adress- und Rechnungsdaten und sparen hier nicht an Kalorien. Sie schlagen Inhalte vor, von denen sie glauben, sie seien für mich – den User – relevant. Und sie sind ziemlich gut darin. Werbeanzeigen werden somit „personalisiert“ ausgespielt. Eben weil der Werbetreibende die Daten seiner Zielgruppe kennt. Cookies wissen auch, welches Betriebssystem ich habe, welchen Browser ich verwende, geben Auskunft über mein Verhalten auf Websites und erkennen mittels IP-Adresse meinen Standort – zumindest bis auf die letzten sechs anonymisierten Ziffern, aber es ist ja eigentlich auch egal, ob ich in Kiel, Rendsburg oder Övelgönne surfe. Ganz schön gruselig. Gerade die Standortbestimmung finde ich aus DSGVO-Sicht schwierig und begrüße, dass ich im Gegensatz zu früher nicht mehr eindeutig zu verorten bin.

Es gibt nicht nur Feinde dieser Form von kontextsensitiver Werbung. Ich gehöre dazu. Ich mag es, wenn mir Produkte angezeigt werden, die meinen Vorlieben entsprechen und von denen ich nicht ahnte, dass es sie gibt. Ich mag nur nicht, wie das funktioniert. Klar, ich kann – Obacht: Empfehlung! – auch hin und wieder den Cache löschen und hoffen, dass durch die Vernichtung der Browser-Journey eine Art Unsichtbarkeit meiner Person eintritt. Wenn ich es doch nicht immer vergessen würde. Sicher, ich könnte auch dauerhaft in einem privaten Fenster meines Browsers surfen, wo die Cookies nur eine Session lang gespeichert sind. Dadurch umgehe ich zwar personalisierte Werbung, aber irgendwelche Displays oder Ads werden mir trotzdem aufgespielt – nur nicht auf mein Nutzerverhalten ausgerichtet. Und dass macht für mich dann überhaupt keinen Sinn mehr. Außerdem gibt es auch nützliche Cookies, nämlich diejenigen, die Logins oder Suchverläufe speichern – und spätestens wenn ich die blocke, habe ich ein Problem. Wir notieren: Cookies haben nicht nur Nachteile.

 

Personalisierung vs. Wahrung der Privatsphäre

Google muss Geld verdienen und der Spagat-Akt besteht in der Wahrung der Privatsphäre bei gleichzeitiger Personalisierung ausgespielter Werbung. So soll laut Google der Nutzer für Werbetreibende nicht länger ein offenes Buch sein, sondern anonymisiert werden. Der Ansatz besteht darin, große Gruppen mit ähnlichen Interessen zu clustern, ohne dass individuelle Daten die Welt des Browsers verlassen. Einen Namen hat das Kind schon bekommen: Privacy Sandbox System. Aber wie soll das funktionieren?

Ein Lösungsansatz wäre das Tracken der Login-IDs. Ohne Login hätte der User nur beschränkt Zugang zu Website-Inhalten und somit die Wahl: Login anlegen, alle Inhalte sehen und damit zur Zielscheibe werden – oder es lassen. Klingt erstmal fair. Das gesunde Misstrauen lässt trotzdem die Stirn runzeln nach dem Motto „abwarten, was da wirklich kommt.“ Man hat schon einiges erlebt.

 

Skepsis oder „the new Trust“?

Gerade wir Deutschen misstrauen dem Netz. Wo in anderen Ländern unreflektiert das eigene Leben vor dem Auge der digitalen Öffentlichkeit in allen Einzelheiten ausgerollt wird, schauen wir hierzulande mürrisch auf jede Innovation der „digital promised lands“ in der Annahme, wieder in die Falle zu laufen. Das ist sicherlich auch nicht gut.

Es bleibt somit spannend. Wird Google die Herkulesaufgabe stemmen, eine DSGVO-konforme Werbewelt anhand persönlicher Nutzerdaten zu erschaffen? Ich denke ja. Wer im Oktober dieses Jahres einen Anteil von 72 % aller weltweiten Suchanfragen für sich beanspruchen kann, macht was richtig. Und „richtig“ hat ja auch wieder mit Vertrauen zu tun.

 

Bist du anderer Meinung? Oder willst du mehr Details?
Ich freue mich jederzeit über ein gutes Gespräch.

Carsten Díaz

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