Was man in puncto Marke gerade jetzt von Donald Trump lernen kann
Über Donald Trump kann man sagen was man will. Und auch wenn man ihn, wie ich, so ganz und gar nicht mag, so muss man ihm eines lassen: Er ist echt 'ne Marke.
Marken haben Konjunktur. Nicht nur Coca-Cola, Amazon oder Apple, auch Personen können Marke sein. Und gerade die Marke Donald Trump zeigt in den vergangenen Jahren immer wieder, wie man durch jede Krise steuert und aus jedem zerbrochenen Keramikteller auf wundersame Weise einen vergoldeten Porzellanteller zaubert. Ja, ich weiß, es klingt nach keiner guten Idee, von so einem Mann etwas lernen zu wollen. Aber wenn man sich genauer anschaut, warum er trotz aller Widersprüche und Extreme an der Spitze der USA steht, findet man darin den Kern dessen, was Marke ausmacht. Und genau diesen Kern möchte ich in diesem Artikel mit Ihnen analysieren.
Erfolgsfaktor 1: Trumps Vision ist absolut authentisch und für alle anderen Menschen im Grunde ihres Herzens auch deren eigene (gefährlich: Ich persönlich möchte nicht mit T auf eine Stufe gestellt werden)
Seit Jahrzehnten führt uns Trump vor Augen, dass Egomane und Egomarke gar nicht so weit voneinander entfernt sind wie wir das vielleicht gerne hätten. Sein Markenkern, seine Vision ist ganz einfach: Erfolg. Erfolg gleich Trump. Trump gleich Erfolg. Darauf steuert er beharrlich zu, egal ob sich ihm ein Konkurrent oder Corona in den Weg stellt. Niederlagen sind für ihn nur dazu da, um wieder aufzustehen, alle Tatsachen zurechtzubiegen und weiterzumachen. Viele Unternehmer, die an ihrer eigenen Marke feilen, verlieren sich oft in Selbstzweifeln – für die Betrachter fängt die Marken-Fassade damit allerdings dann auch ganz schnell zu bröckeln an. Trump kennt keine Selbstzweifel.
Erfolgsfaktor 2: Trumps Mission deckt sich mit den Bedürfnissen der Menschen nach einem großen Macher und Beschützer
Um praktisch mit seinem Erfolg zu verschmelzen, selbst das Synonym für Erfolg zu werden, verfolgt Trump auch heute noch, im vierten Jahr seiner Regentschaft, die Mission „Make America Great Again!“ Das ist sein Credo, das er bereits seit seinem Wahlkampf gebetsmühlenartig verbreitet und an das er, bei allem was er tut, wie ein Fels in der Brandung, festhält. Das Land scheint den Menschen in Amerika zu entgleiten. Doch mit seiner Mission gibt Trump diesem seinem Land eine Stimme und beflügelt damit immer wieder aufs Neue das Klischee vom Amerikanischen Traum. Ob es darum geht eine Mauer zu den bösen Mexikanern zu bauen oder den noch böseren Chinesen die alleinige Schuld an der Misere in den USA in die Schuhe zu schieben, ist völlig irrelevant. Seine Botschaft passt immer und überall. Denn er ist das Stereotyp des erfolgreichen Unternehmers, der alles (die Frauen, sein Leben, seinen Job und die ganze Welt) fest im Griff hat. Für alle, die ihm hingebungsvoll folgen, ist er der große Bruder, der sich vor sie stellt und vor den bösen Jungs beschützt. Er teilt kräftig aus, holt sich dabei auch schon mal Prügel ab, verschmerzt diese dann aber auch wie ein echter Rotzbengel. Welcher Unternehmer kann schon von sich behaupten, seine eigene Mission stringent und mit Begeisterung zu verfolgen und sie dabei wirklich niemals aus den Augen zu verlieren?
Erfolgsfaktor 3: Trumps Werte sind individuell und authentisch und er lebt sie mit jedem Atemzug
Ebenso konsequent wie seine Mission lebt Donald Trump seine Werte. Wenn ich raten dürfte, dann würde ich sagen, diese lauten: Dominanz, Ehrgeiz und Unerschütterlichkeit.
Viele Unternehmer richten sich bei der Werte-Findung sehr nach dem Mainstream aus anstatt nach ihrem wahren Selbst. In fast jeder Markenstrategie von Unternehmen finden sich Werte wie Innovation, Leidenschaft oder Teamgeist. Warum nicht Scharfsinn, Kühnheit oder Unerschrockenheit? Wer nicht den Mut hat, Ecken und Kanten zu haben, wird seine Larifari-Werte dann auch nicht mit voller Inbrunst leben können.
Anders Donald. Seine Werte sind absolut authentisch. Verinnerlicht. Teil seines Wesens. Er lebt sie exzessiv. Mit dieser Authentizität schafft er es, so muss man es leider sehen, hervorragend die Menschen mitzureißen – sodass selbst schwarze Frauen, auf denen er zunächst herumgetrampelt hat, ihn vor rund vier Jahren mit voller Inbrunst gewählt haben.
Erfolgsfaktor 4: Trump ist ein großer Storyteller, mit Botschaften, die stets auf seine Marke einzahlen
Wie schafft es die Marke Trump allen Stürmen zu trotzen? Ganz einfach: nicht nur sein Markenkern ist authentisch, wird gelebt. Auch seine Meta-Botschaft passt tausendprozentig.
Leere Versprechungen und dreiste Lügen kosten ihn damit zwar Sympathien, nicht aber seine Glaubwürdigkeit.
Um das zu verstehen, muss man etwas tiefer hineingehen in seine Historie und die Art und Weise wie er seine Marke konsequent pflegt.
Zunächst einmal ist er ein großer Storyteller. All die Storys, die er rund um seine Person gewoben hat, geben ein großes und in sich stimmiges Gesamtbild.
Story 1: Trump – vom Tellerwäscher zum Milliardär. Dies war eine seiner ersten alternativen Wahrheiten. Tatsache ist jedoch, dass er sein finanzielles Polster von Papa geerbt hat. Diese Story untermauert aber ganz elementar seine Mission und das Klischee vom Amerikanischen Traum. Jeder, vom erfolgreichen Selfmade-Unternehmer bis hin zum arbeitslosen Tellerwäscher, kann sich damit identifizieren.
Story 2: Trump – der Retter. Bereits 1978 hat er inmitten des damals noch abgehalfterten Milieus Manhattans sein Grand Hyatt Hotel gebaut. Und damit seinen ersten Rettungs-Schachzug gespielt. Gerade steht er vor der größten Herausforderung seines Lebens: Er muss Amerika vor der Corona-Seuche retten. Dass er selbst es war, der das Virus zunächst als lapidar abgetan hat, übergeht er mit großspurigen Reden und Gesten. Dabei zieht er alle Marketingregister: Wenn man den Menschen schon Direkthilfen gibt – warum dann die beschlossenen Konjunkturhilfen nur schnöde und nüchtern aufs Konto überweisen? Trump schickt seinen Steuerzahlern lieber Schecks: „Ich bin mir sicher, dass sich die Menschen sehr freuen werden, einen großen, fetten Scheck zu bekommen und mein Name steht drauf.“ Ja, das ist obskur. Aber auch ein genialer Schachzug mitten im Wahlkampf. Trump legt selbst in einen solch sachlich-kühlen Vorgang pure, heiße Emotion und sorgt dafür, dass jeder Einzelne in Amerika hautnah erlebt: Trump persönlich rettet mich. Jede einzelne seiner Storys zahlt auf diese Botschaft ein.
Und was kann man als Unternehmer daraus lernen? Finden Sie eine Botschaft, die ihre Marke transportiert. Und werden Sie nicht müde, ganz konsequent Themen und Storys zu entwickeln, die diese Botschaft immer wieder aufs Neue beweisen.
Erfolgsfaktor 5: Trump kommuniziert kontinuierlich und wird nicht müde, seine Botschaft immer wieder zu wiederholen
Trump lädt seine Marke von Anfang an kontinuierlich auf. Er penetriert sie unaufhörlich und hämmert sie der ganzen Welt in Kopf und Herz ein. Trump Tower, Trump Plaza, Trump Shuttle, Trump University, Trump Golf Club. Er ist Juror bei Schönheitswettbewerben, schreibt 19 Bücher über Erfolg, wird selbst zum Film- und Reality Show-Star, kandidiert als Gouverneur und schafft es als entschlossener Retter schließlich ins Weiße Haus. Über die Jahre hat er so die Marke Trump gedehnt – von der Immobilienbranche bis hin zur Politik.
Wir merken uns also: Eine Marke lässt sich immer dann in andere Bereiche dehnen, wenn der Markenkern auch dort authentisch gelebt werden und Früchte tragen kann.
Eine Marke lebt nicht im luftleeren Raum. Um eine Marke lebendig zu halten, muss ihre Botschaft auch verbreitet werden. Und hier kommen die Medien ins Spiel. Wie kein anderer füttert Trump die Medienmaschine. Er ist täglich weltweit in den Schlagzeilen. Tausende Journalisten lechzen nach seinen Taten und großen Sprüchen. Über 78 Millionen Menschen verfolgen jedes seiner Worte auf Twitter. Fünf- bis sechsstellige Likes kann er bei jedem seiner Posts verzeichnen. Er liebt diesen Kanal, denn er ist schnell und direkt. Und dass er selbst schreibt, merkt man an den vielen chaotischen, angreifenden, oberflächlichen und unglaublichen Worten, die er als „rotzfrecher großer Bruder“ täglich in die Welt posaunt. Er polarisiert. Aber auch das ist absolut authentisch. Und mal Hand aufs Herz: Mainstream nimmt doch keiner wahr! Er hat Feinde, die ihn abgrundtief hassen, aber im Gegenzug auch echte Fans, die ihn bis hin zur Selbstaufgabe vergöttern.
Trump lebt hier ein Extrem vor, das sicher nicht für alle Marken richtig ist. Aber er zeigt, wovon ich absolut überzeugt bin: Polarisieren (in Maßen) ist der richtige Weg. Man darf nicht versuchen, Everybody’s Darling zu sein. Wer seine eigene Marke mit Ecken und Kanten lebt, muss damit umgehen können, dass manche das eben auch nicht mögen. Mit dem Ergebnis, dass es andere geben wird, die das umso mehr mögen und echte Fans werden.
Erfolgsfaktor 6: Ein einfaches kognitives Phänomen kommt Trump zu Hilfe und macht aus Unwahrheiten alternative Wahrheiten
Allen, die nun glauben, dass Trump es nicht schafft, demnächst wiedergewählt zu werden, gebe ich zu bedenken: 2016 hat auch kaum jemand geglaubt, dass dieser unglaubliche Rüpel es schafft, Präsident zu werden. Und, egal wie sehr wir ihn verlieren sehen wollen, egal wie sehr die vielen Fettnäpfchen, in die er tritt, dagegen sprechen, ich glaube: Wenn er es schafft, sich auch weiterhin voll Selbstbewusstsein und ohne Selbstzweifel durch alle Stürme zu navigieren, dann wird dieses Stehaufmännchen den Kopf weiter über Wasser halten.
Denn zu guter Letzt spielt der Marke Trump auch noch das Symptom des Bestätigungsfehlers in die Karte.
Der Mensch neigt dazu, Informationen so auszuwählen und zu interpretieren, dass damit die eigenen Erwartungen erfüllt werden. Wer also darauf hofft, gesund aus der Krise zu kommen, wird Trumps Botschaften zu diesem Thema verstärkt aufnehmen und sich so zurechtbiegen, dass die persönliche Erwartung erfüllt wird: Desinfektionsmittel injizieren statt sich damit nur die Hände abwischen? Da mögen sich die doofen Forscher, die da in ihrem Elfenbeinturm sitzen und keine Ahnung haben, was da draußen abgeht, zwar mokieren – aber der große Rotzlöffel-Bruder Trump hat wenigstens Ideen. Der ist schlau und gerissen! Vielleicht scheucht das die blöden Götter in Weiß dann endlich mal auf, damit sie handeln, statt nur zu reden! Alle, die an der Wirkung des Bestätigungsfehlers zweifeln, sollten sich die aktuellen Vergiftungszahlen in USA mal näher anschauen: diese sind nach Trumps „Idee“ plötzlich in die Höhe geschnellt.
Egal was der Held Trump sagt und tut. Egal wie verquer und irrsinnig es ist. Die Menschen klammern sich an ihre Hoffnung und Trump unterstützt sie tatkräftig mit seiner Räuberleiter.
Marken, die einen festen Halt geben, sind das, was der Mensch sucht. In Zeiten, in denen es uns gut geht, mögen wir diesem Halt nicht so große Bedeutung beimessen – denn wir empfinden wenig Mangel und zehren aus einem großen grundsätzlichen Sicherheitsgefühl. In Krisenzeiten jedoch, ob Corona oder Rezession, werden wir starke Marken brauchen. Marken, die einstehen für ihre Überzeugung und uns Halt, Beständigkeit und damit die dringend gesuchte Sicherheit geben.
Für alle, die mir nun Trump-Verherrlichung nachsagen mögen, sei hiermit nochmals klargestellt: ich persönlich empfinde diesen Mann als Zumutung und auch als Gefahr für diese Welt. Trotzdem wurde er gewählt – und wenn er es „richtig“ anstellt, wird er wieder gewählt werden. Das liegt meiner Meinung nach unter anderem auch an seiner starken, lebendigen Marke. Wollten Unternehmer es ihm in diesem exzessiven Maße gleichtun, würde die Welt nur aus Egomanen bestehen. Aber: genau in dieser Überzeichnung erkennt man, wie Marke funktioniert – und genau davon sollten sich Unternehmer „eine Scheibe abschneiden“, um aus ihrer Marke eine starke Marke zu machen. wyynot.
Redaktion: Karen Dörflinger